Das Poprevo-Festival 2006 in Århus - (m)ein Bericht

Dienstag, September 19, 2006 Parklife 2 Kommentare

Zum insgesamt 3. Mal seit 2004 fand am letzten Wochenende in Århus das kleine, aber feine Indoor-Indiepop-Festival Poprevo statt - und ich war dabei! Das Festival begann zwar schon am Donnerstag (u.a. mit den Montgolfier Brothers), aber wir (Cord, Carsten & ich) fuhren erst am Freitag den Katzensprung von nicht mal 300 km von Kiel nach Århus, um uns an der dänischen Lebensart zu erfreuen.

Das erste, was uns positiv auffiel: unser "Hotel" namens City Sleep-In (eine jugendherbergsähnliche Absteige, die aber sehr kostengünstig ist) lag nicht nur direkt am Hafen, sondern auch vis-à-vis dem Veranstaltungsort Studenterhuset. So konnten wir von unserem Zimmer aus direkt auf den Eingang schauen und u.a. am Samstag Erlend Øye im grünen Trainingsanzug und mit Jutebeutel zum Soundcheck gehen sehen. :-)

Das zweite, was uns ausgesprochen positiv auffiel: Århus ist eine schöne Stadt mit einer weitläufigen und verwinkelten, abwechslunsgreichen Innenstadt und viel Flair. Und unübersehbar vielen extrem attraktiven Frauen... Wir hatten teilweise den Eindruck, in einem Film zu sein, bei dem jede weibliche Rolle mit einem Model besetzt wurde - im Kino würde man sowas kopfschüttelnd für totalen Schmarrn halten, aber in Århus ist es stadtweite Realität. :-) Surreal.

Doch zur Musik - kurz und grob gesagt war der erste Abend musikalisch für'n Arsch. Die erste Band, ein Nikki Sudden-Tribut, hatten wir uns gleich geschenkt, da wir uns erst noch aklimatisieren mussten. Folglich begann das Festival für uns erst mit den Most Valuable Players aus Schweden, die ganz netten Indiepop spielen sollten - live waren sie aber doch sehr langweilig und nach spätestens drei Songs war irgendwie auch alles gesagt. So trieben wir uns bei der nächsten Band Reviving Aeris (die, so wurde uns erzählt, ebenfalls komplett nichtssagend gewesen sein soll) lieber im nächtlichen Århus rum und kehrten erst wieder ins sich langsam füllende Studenterhuset zurück, als Cakekitchen, eine "One man-band" aus Neuseeland, auf die Bühne kam. Wie das bei Einmann-Acts meist so ist, war die Bandbreite der auf Akustikgitarre dargebotenen Songs nicht sonderlich groß - dafür spielte Cakekitchen aber um so länger und wollte gar nicht mehr gehen (so empfanden wir das subjektiv). Irgendwann war aber auch diese Tortur überstanden, und die von mir gespannt erwarteten Schweden von The Embassy traten auf. Ihr Hit «Some indulgence» ließ mich einiges erhoffen, doch leider bot auch dieser Gig eine Enttäuschung, da die Musik sehr flau war und der Gesang ausgesprochen dürftig. Schade. Die BMX Bandits, auf die sich vor allem Carsten gefreut und mit denen er im Backstagebereich eine gehörige Zeit verbacht hatte, sollten dann alles herausreißen - hoffte ich wenigstens. Die Uhr zeigte bereits 1:15, als die sympathischen Schotten erschienen und in offenbar bester Laune ein zwar ganz nettes, aber irgendwie auch nicht so dramatisch tolles Set boten. In einem English Pub, aus dem alle Gäste um vier Uhr relativ unsanft von Securityleuten herauskomplimentiert wurden, ließen wir den Abend dann ausklingen. Zuvor hatte ich noch die größte "kleine Portion Pommes" meines Lebens verzehren dürfen...

Der Samstag stand dann zunächst im Zeichen von Regeneration und Sightseeing, sowie dem Kauf von kleineren CD-Bergen im Plattenladen BadstueRock, der grad 50% Rabatte auf ohnehin schon günstige CDs (z.B. von Geneva, Longview, My Life Story für je 3-4 Euro!) bot. Wie gesagt, Århus ist echt nett und bietet dem Auge viel Zerstreuung und Wohlgefallen. Rechtzeitig zum Wiederbeginn des Festivals um 20 Uhr stellten wir uns frisch gestärkt im Studenterhuset ein (übrigens ein sehr netter Veranstaltungsort mit (für dänische Verhältnisse) zivilen Getränkepreisen). Die nun folgenden fünf Konzerte sollten uns für die Nullnummern des Vortages mehr als entschädigen.

Den Auftakt machten Harper Lee aus England, die mit sanftem, melancholischem Gitarrenpop den perfekten Einstieg in den Abend boten. Zu güldenen Sarah Records-Tagen machte die Band als Brighter Musik, und dieses "Sarah-Feeling" zeigten sie auch in ihren neuen Stücken.

Von der nächsten Band, Scaredycat, hatte keiner von uns jemals etwas gehört, und so mussten wir uns komplett überraschen lassen, was uns wohl erwarten würde. Die Kopenhagener Band, zwei Jungs und zwei Mädels (eine der Sängerinnen war, natürlich, äußerst hübsch), legte einen furiosen Auftritt hin - TechnoPopPunkDIY-Songs der Marke BIS, Beat Happening oder Nazis From Mars, die durch eine knackige Kürze und feine Keyboards sowie schönen Schraddelgitarren zu gefallen wussten. Leider haben sie keine Website, Myspace-Seite o.ä., so dass ich Euch auch keinen Song empfehlen kann.

Danach kamen die nächsten Dänen - 1234, die schon im Vorprogramm von Moneybrother für erste Aufmerksamkeit sorgten. Auch hier waren wir mehr als nur positiv überrascht, ein toller Gig, wunderbare Melodien, ein Sänger, der singen kann, und ein druckvoller Sound, der umso erstaunlicher bei einer so jungen Band ist. Derzeit existiert von 1234 nur eine Demo-CD (die mir der Sänger Rune zuschicken will, wie er mir versprach), nächstes Frühjahr erscheint dann das Album.

So, und nun stand der Höhepunkt des Festivals an - die britischen Shoegazer von Secret Shine, die ebenfalls schon zu Sarah Records-Zeiten aktiv waren und dieses Jahr ein überraschendes Comeback feierten. Das sympathische Quintett spielte eine Mischung aus alten und neuen Songs, die sich allesamt nahtlos in ihr Konzept aus Feedback und verzerrten Gitarren einpassten und so für ein hypnotisches Noisepop-Konzert allererster Güte sorgten. Psychedelik in Reinkultur, die bei uns allen für helle Begeisterung sorgte.

Danach konnte eigentlich nichts mehr kommen - und doch gab's danach noch den vielumjubelten Gig von The Whitest Boy Alive, einer Band, die zu einem Viertel aus Erlend Øye und zu drei Vierteln aus Berliner Musikern besteht, und relativ relaxte und sehr groovende Musik spielte. Ich hätte zwar die einzelnen Songs nicht auseinanderhalten können, doch machte es Spaß und auch die Band war gut drauf.

Zum krönenden Finale ging es dann noch in die Fabriken, einem verwinkelten Club, in dem u.a. Marco vom Revolver Club auf der Aftershowparty für einen gelungenen Schlusspunkt des Festivals sorgte - schön viel Gitarrenpop, Skandinavisches und Indieklassiker ließ uns das Tanzbein nicht einschlafen. Um 6 Uhr morgens wankten wir dann ins Bett. Ich denke, nächstes Jahr sind wir wieder dabei, denn solch ein peaciges, schnuckliges (max. 200 Besucher, tipp ich mal so) und sympathisches Festival findet man eher selten.

2 Kommentare:

  1. Sehr schöner Bericht bei dem selbst ein nicht anwesender Gänsehaut bekam...
    Vielleicht bin ich ja nächstes Jahr mit dabei.

    Cheers

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  2. Ein schöner Bericht. Wäre für mich ja wirklich ein bisschen weit für ein paar Indiekapellen. Komisch ich habe letzte Woche nur fette Terroristenweiber gesehen. Nach ja, falsche Zeit, falscher Ort

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