Wir Sind Helden über die BILD-"Zeitungs"-Kampagne
Also sympathisch waren mir Wir Sind Helden ja schon immer (auch wenn ich musikalisch nicht mit allem was anfangen konnte, was die Band so aufnahm) – aber mit der aktuellen „Aktion“ kommen sie für mich in den Olymp. Der Bildblog – ein immer sehr lesenswerter Weblog, der die Lügen und Machenschaften der BILD-„Zeitung“ kritisch beäugt – veröffentlichte nachfolgenden Dialog von WSH mit der Werbeagentur Jung von Matt, die die Band für die neue BILD-Kampagne anwerben wollte. Die Antwort der Band ist epic und all die ganzen Mietpromis, die bei dem BILD-Scheiß mitmachen, sollten sie sich hinter die Ohren schreiben! (Und all denjenigen, die dahinter auch nur eine WSH-Promoaktion sehen, sei dieser Artikel empfohlen: „Noch ein Wort zu Bild und Wir Sind Helden“.)--------------
Wir Sind Helden wollen nicht für "Bild" werben
Wir Sind Helden mögen keine Werbung. Auf Festivals haben sie schon Reklamebanner abhängen lassen, bevor sie die Bühne betraten. Sängerin Judith Holofernes erklärte im Dezember 2007 als BILDbloggerin für einen Tag, was ihr an "Bild" alles nicht passt.
Trotzdem (womöglich eher: deswegen) hielt es die Werbeagentur Jung von Matt für eine gute Idee, bei Wir Sind Helden und Judith Holofernes anzufragen, ob die nicht bei einer "Bild"-Werbekampagne mitmachen wollten. (...) (Das Anschreiben der Marketingfuzzis kann man auf der BILDblog-Seite nachlesen.)
Die Antwort der Band, die wir hier mit freundlicher Genehmigung derselben wiedergeben, fiel eindeutig aus:
Liebe Werbeagentur Jung von Matt,
bzgl. Eurer Anfrage, ob wir bei der aktuellen Bild -Kampagne mitmachen wollen:
Ich glaub, es hackt.
Die laufende Plakat-Aktion der Bild -Zeitung mit sogenannten Testimonials, also irgendwelchem kommentierendem Geseiere (Auch kritischem! Hört, hört!) von sogenannten Prominenten (auch Kritischen! Oho!) ist das Perfideste, was mir seit langer Zeit untergekommen ist. Will heißen: nach Euren Maßstäben sicher eine gelungene Aktion.
Selten hat eine Werbekampagne so geschickt mit der Dummheit auf allen Seiten gespielt. Da sind auf der einen Seite die Promis, die sich denken: Hmm, die Bildzeitung, mal ehrlich, das lesen schon wahnsinnig viele Leute, das wär schon schick… Aber irgendwie geht das eigentlich nicht, ne, weil ist ja irgendwie unter meinem Niveau/ evil/ zu sichtbar berechnend… Und dann kommt ihr, liebe Agentur, und baut diesen armen gespaltenen Prominenten eine Brücke, eine wackelige, glitschige, aber hey, was soll's, auf der anderen Seite liegt, sagen wir mal, eine Tüte Gummibärchen. Ihr sagt jenen Promis: wisst ihr was, ihr kriegt einfach kein Geld! Wir spenden einfach ein bisschen Kohle in eurem Namen, dann passt das schon, weil, wer spendet, der kann kein Ego haben, verstehste? Und außerdem, pass auf, jetzt kommt's: ihr könnt sagen, WAS IHR WOLLT!
Und dann denken sich diese Promis, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, irgendeine pseudo -distanziertes Gewäsch aus, irgendwas “total Spitzfindiges”, oder Clever- Unverbindliches, oder Überhebliches, oder… Und glauben, so kämen sie aus der Nummer raus, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Und haben trotzdem unheimlich viele saudumme Menschen erreicht! Hurra.
Auf der anderen Seite, das erklärt sich von selbst, der Rezipient, der saudumme, der sich denkt: Mensch, diese Bild -Zeitung, die traut sich was.
Und, die dritte Seite: Ihr, liebe jungdynamische Menschen, die ihr, zumindest in einem sehr spezialisierten Teil eures Gehirns, genau wisst, was ihr tut. Außer vielleicht, wenn ihr auf die Idee kommt, “Wir sind Helden” für die Kampagne anzufragen, weil, mal ehrlich, das wäre doch total lustig, wenn ausgerechnet die…
Das Problem dabei: ich hab wahrscheinlich mit der Hälfte von euch studiert, und ich weiß, dass ihr im ersten Semester lernt, dass das Medium die Botschaft ist. Oder, noch mal anders gesagt, dass es kein “Gutes im Schlechten” gibt. Das heißt: ich weiß, dass ihr wisst, und ich weiß, dass ihr drauf scheißt.
Die BILD -Zeitung ist kein augenzwinkernd zu betrachtendes Trash-Kulturgut und kein harmloses “Guilty Pleasure” für wohlfrisierte Aufstreber, keine witzige soziale Referenz und kein Lifestyle-Zitat. Und schon gar nicht ist die Bild -Zeitung das, als was ihr sie verkaufen wollt: Hassgeliebtes, aber weitestgehend harmloses Inventar eines eigentlich viel schlaueren Deutschlands.
Die Bildzeitung ist ein gefährliches politisches Instrument – nicht nur ein stark vergrößerndes Fernrohr in den Abgrund, sondern ein bösartiges Wesen, das Deutschland nicht beschreibt, sondern macht. Mit einer Agenda.
In der Gefahr, dass ich mich wiederhole: ich glaub es hackt.
Mit höflichen Grüßen,
Judith Holofernes
Bravo Julia!
AntwortenLöschenENDLICH! Ich habe schon gedacht, dass alle verrückt geworden sind. Leute, die ich bisher für ihre Leistungen geachtet habe, ließen sich vor den Mistkarren dieser erbärmlichen Journaille spannen. Es wurde längst Zeit, dass mal jemand bei der perfiden Werbekampagne NICHT mitmacht. Frau Holofernes spricht mir aus der Seele, wenngleich ich andere Worte gewählt hätte. (Nicht dass mich jemals jemand fragen würde für auch nur irgend etwas Werbung zu machen). Die Bild -Zeitung verbietet sich hier aus Definitionsgründen eigentlich- ist aber wie beschrieben ein gefährliches politisches Instrument. Und die Agenda dahinter ist tatsächlich eine abgründige. Das ist perfekt formuliert und leider so wahr.
AntwortenLöschenAuch wenn ich hier täglich wegen der Musik herklicke, ist es mir wichtig, dass der heutige Artikel meine Laune erheblich gebessert hat,
hocherfreut,
Matthias, München
die füchse aus den marketingabteilungen von wsh und bild setzen sich zusammen und machen einen feinen deal, von dem beide was haben. und der ach so schlaue bildungsbürger feiert holofernes und denkt sich, die hat es der bild mal so richtig gegeben?
AntwortenLöschenbitte mehr nachdenken, ihr schlaumeier.
Laaaaangweiliger Kommentar. Siehe auch diesen passenden Artikel:
AntwortenLöschenhttp://www.theintelligence.de/index.php/gesellschaft/volksverdummung/2268-noch-ein-wort-zu-bild-und-wir-sind-helden.html
Ich weiß nicht...
AntwortenLöschenDa hat man also eine Zeitung, die von diversen Leuten als Werkzeug benutzt wird, um die Menschen in diesem Land zu manipulieren (sei es, dass man den Pöbel mit seiner täglichen Portion Blut und Titten ruhig stellt, oder Stimmung gegen nicht genehme gesellschaftliche Gruppen macht, oder den ganzen machtgeilen Anzugträgern in Berlin vorgibt, in welche Richtung sie ihre Fahne in den Wind hängen sollen). Und man bekommt eine Plattform, um diese Tatsachen bekannt zu machen; und diese Plattform ist nicht irgendein philosophischer Exkurs für die so genannten Links-Alternativen (denn die wissen das schon, was die Bild-Zeitung ist, denen braucht man das nicht zu erklären), sondern diese Plattform erreicht *direkt* die Menschen, die man aufrütteln muss, nämlich die Bild-Zielgruppe.
Und was tut man? Man zieht sich mit einem jugendlich-koketten "Ich glaube es hackt" in seinen Elfenbeinturm auf dem Prenzlauer Berg zurück und nippt an seiner Bionade.