Wir Sind Helden über die BILD-"Zeitungs"-Kampagne

Montag, Februar 28, 2011 Parklife 5 Kommentare

Also sympathisch waren mir Wir Sind Helden ja schon immer (auch wenn ich musikalisch nicht mit allem was anfangen konnte, was die Band so aufnahm) – aber mit der aktuellen „Aktion“ kommen sie für mich in den Olymp. Der Bildblog – ein immer sehr lesenswerter Weblog, der die Lügen und Machenschaften der BILD-„Zeitung“ kritisch beäugt – veröffentlichte nachfolgenden Dialog von WSH mit der Werbeagentur Jung von Matt, die die Band für die neue BILD-Kampagne anwerben wollte. Die Antwort der Band ist epic und all die ganzen Mietpromis, die bei dem BILD-Scheiß mitmachen, sollten sie sich hinter die Ohren schreiben! (Und all denjenigen, die dahinter auch nur eine WSH-Promoaktion sehen, sei dieser Artikel empfohlen: „Noch ein Wort zu Bild und Wir Sind Helden“.)

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Wir Sind Helden wollen nicht für "Bild" werben

Wir Sind Helden mögen keine Werbung. Auf Festivals haben sie schon Reklamebanner abhängen lassen, bevor sie die Bühne betraten. Sängerin Judith Holofernes erklärte im Dezember 2007 als BILDbloggerin für einen Tag, was ihr an "Bild" alles nicht passt.

Trotzdem (womöglich eher: deswegen) hielt es die Werbeagentur Jung von Matt für eine gute Idee, bei Wir Sind Helden und Judith Holofernes anzufragen, ob die nicht bei einer "Bild"-Werbekampagne mitmachen wollten. (...) (Das Anschreiben der Marketingfuzzis kann man auf der BILDblog-Seite nachlesen.)

Die Antwort der Band, die wir hier mit freundlicher Genehmigung derselben wiedergeben, fiel eindeutig aus:

Liebe Wer­be­agen­tur Jung von Matt,

bzgl. Eurer An­fra­ge, ob wir bei der ak­tu­el­len Bild -​Kam­pa­gne mit­ma­chen wol­len:

Ich glaub, es hackt.

Die lau­fen­de Pla­kat-​Ak­ti­on der Bild -​Zei­tung mit so­ge­nann­ten Testi­mo­ni­als, also irgend­wel­chem kom­men­tie­ren­dem Ge­seie­re (Auch kri­ti­schem! Hört, hört!) von so­ge­nann­ten Pro­mi­nen­ten (auch Kri­ti­schen! Oho!) ist das Per­fi­des­te, was mir seit lan­ger Zeit un­ter­ge­kom­men ist. Will hei­ßen: nach Euren Maß­stä­ben si­cher eine ge­lun­ge­ne Ak­ti­on.

Sel­ten hat eine Wer­be­kam­pa­gne so ge­schickt mit der Dumm­heit auf allen Sei­ten ge­spielt. Da sind auf der einen Seite die Pro­mis, die sich den­ken: Hmm, die Bild­zei­tung, mal ehr­lich, das lesen schon wahn­sin­nig viele Leute, das wär schon schick… Aber ir­gend­wie geht das ei­gent­lich nicht, ne, weil ist ja ir­gend­wie unter mei­nem Ni­veau/ evil/ zu sicht­bar be­rech­nend… Und dann kommt ihr, liebe Agen­tur, und baut die­sen armen ge­spal­te­nen Pro­mi­nen­ten eine Brü­cke, eine wa­cke­li­ge, glit­schi­ge, aber hey, was soll's, auf der an­de­ren Seite liegt, sagen wir mal, eine Tüte Gum­mi­bär­chen. Ihr sagt jenen Pro­mis: wisst ihr was, ihr kriegt ein­fach kein Geld! Wir spen­den ein­fach ein biss­chen Kohle in eurem Namen, dann passt das schon, weil, wer spen­det, der kann kein Ego haben, ver­stehs­te? Und au­ßer­dem, pass auf, jetzt kommt's: ihr könnt sagen, WAS IHR WOLLT!

Und dann den­ken sich diese Pro­mis, im Rah­men ihrer Mög­lich­kei­ten, ir­gend­ei­ne pseu­do -​dis­tan­zier­tes Ge­wäsch aus, ir­gend­was “total Spitz­fin­di­ges”, oder Cle­ver-​ Un­ver­bind­li­ches, oder Über­heb­li­ches, oder… Und glau­ben, so kämen sie aus der Num­mer raus, ohne ihr Ge­sicht zu ver­lie­ren. Und haben trotz­dem un­heim­lich viele sau­dum­me Men­schen er­reicht! Hurra.

Auf der an­de­ren Seite, das er­klärt sich von selbst, der Re­zi­pi­ent, der sau­dum­me, der sich denkt: Mensch, diese Bild -​Zei­tung, die traut sich was.

Und, die drit­te Seite: Ihr, liebe jung­dy­na­mi­sche Men­schen, die ihr, zu­min­dest in einem sehr spe­zia­li­sier­ten Teil eures Ge­hirns, genau wisst, was ihr tut. Außer viel­leicht, wenn ihr auf die Idee kommt, “Wir sind Hel­den” für die Kam­pa­gne an­zu­fra­gen, weil, mal ehr­lich, das wäre doch total lus­tig, wenn aus­ge­rech­net die…

Das Pro­blem dabei: ich hab wahr­schein­lich mit der Hälf­te von euch stu­diert, und ich weiß, dass ihr im ers­ten Se­mes­ter lernt, dass das Me­di­um die Bot­schaft ist. Oder, noch mal an­ders ge­sagt, dass es kein “Gutes im Schlech­ten” gibt. Das heißt: ich weiß, dass ihr wisst, und ich weiß, dass ihr drauf scheißt.

Die BILD -​Zei­tung ist kein au­gen­zwin­kernd zu be­trach­ten­des Trash-​Kul­tur­gut und kein harm­lo­ses “Guilty Plea­su­re” für wohl­fri­sier­te Auf­stre­ber, keine wit­zi­ge so­zia­le Re­fe­renz und kein Li­fes­tyle-​Zi­tat. Und schon gar nicht ist die Bild -​Zei­tung das, als was ihr sie ver­kau­fen wollt: Hass­ge­lieb­tes, aber wei­test­ge­hend harm­lo­ses In­ven­tar eines ei­gent­lich viel schlaue­ren Deutsch­lands.

Die Bild­zei­tung ist ein ge­fähr­li­ches po­li­ti­sches In­stru­ment – nicht nur ein stark ver­grö­ßern­des Fern­rohr in den Ab­grund, son­dern ein bös­ar­ti­ges Wesen, das Deutsch­land nicht be­schreibt, son­dern macht. Mit einer Agen­da.

In der Ge­fahr, dass ich mich wie­der­ho­le: ich glaub es hackt.

Mit höf­li­chen Grü­ßen,
Ju­dith Ho­lo­fer­nes

5 Kommentare:

  1. ENDLICH! Ich habe schon gedacht, dass alle verrückt geworden sind. Leute, die ich bisher für ihre Leistungen geachtet habe, ließen sich vor den Mistkarren dieser erbärmlichen Journaille spannen. Es wurde längst Zeit, dass mal jemand bei der perfiden Werbekampagne NICHT mitmacht. Frau Holofernes spricht mir aus der Seele, wenngleich ich andere Worte gewählt hätte. (Nicht dass mich jemals jemand fragen würde für auch nur irgend etwas Werbung zu machen). Die Bild -Zeitung verbietet sich hier aus Definitionsgründen eigentlich- ist aber wie beschrieben ein gefährliches politisches Instrument. Und die Agenda dahinter ist tatsächlich eine abgründige. Das ist perfekt formuliert und leider so wahr.
    Auch wenn ich hier täglich wegen der Musik herklicke, ist es mir wichtig, dass der heutige Artikel meine Laune erheblich gebessert hat,
    hocherfreut,
    Matthias, München

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  2. die füchse aus den marketingabteilungen von wsh und bild setzen sich zusammen und machen einen feinen deal, von dem beide was haben. und der ach so schlaue bildungsbürger feiert holofernes und denkt sich, die hat es der bild mal so richtig gegeben?

    bitte mehr nachdenken, ihr schlaumeier.

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  3. Laaaaangweiliger Kommentar. Siehe auch diesen passenden Artikel:
    http://www.theintelligence.de/index.php/gesellschaft/volksverdummung/2268-noch-ein-wort-zu-bild-und-wir-sind-helden.html

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  4. The King of Um6/3/11 10:03

    Ich weiß nicht...

    Da hat man also eine Zeitung, die von diversen Leuten als Werkzeug benutzt wird, um die Menschen in diesem Land zu manipulieren (sei es, dass man den Pöbel mit seiner täglichen Portion Blut und Titten ruhig stellt, oder Stimmung gegen nicht genehme gesellschaftliche Gruppen macht, oder den ganzen machtgeilen Anzugträgern in Berlin vorgibt, in welche Richtung sie ihre Fahne in den Wind hängen sollen). Und man bekommt eine Plattform, um diese Tatsachen bekannt zu machen; und diese Plattform ist nicht irgendein philosophischer Exkurs für die so genannten Links-Alternativen (denn die wissen das schon, was die Bild-Zeitung ist, denen braucht man das nicht zu erklären), sondern diese Plattform erreicht *direkt* die Menschen, die man aufrütteln muss, nämlich die Bild-Zielgruppe.

    Und was tut man? Man zieht sich mit einem jugendlich-koketten "Ich glaube es hackt" in seinen Elfenbeinturm auf dem Prenzlauer Berg zurück und nippt an seiner Bionade.

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