Der große Coast Is Clear-Jahresrückblick 2023 – Teil 3: Die Alben
Und nun, wie in jedem Jahr, zum Abschluss der Jahresabschlussarbeiten auch noch mein Rückblick auf die in meinen Augen besten Alben, die 2023 erschienen sind. Richtig gut fand ich, logischerweise, Platz 1 und 2, denn bei ihnen hatte ich nicht das Erlebnis, dass sie nach mehrmaligem Hören in meiner Gunst absanken (wie viele der anderen auf der Liste). Und wie schon in den vergangenen Jahren spiegeln die Albumcharts meine Hörgewohnheiten nur sehr unvollständig wider. Mein Fokus lag halt in diesem Jahr mehr bei einzelnen Songs und, wie schon in Teil 1 erwähnt, bei älteren Werken.
Auf jeden Fall ist zum ersten Mal ein japanisches Album auf Platz 1 gelandet (überhaupt das erste Mal, dass eine Scheibe aus Japan es in meine Top 20 geschafft hat), und es ist auch mein erstes Metalalbum in den Charts. Also gleich mehrere Weltpremieren auf einmal. :-)
Ich weiß, dass ich mich schämen sollte, Slowdive nicht höher platziert zu haben, aber irgendwie wurde ich nicht so richtig warm mit dem Werk – es fehlten mir die wirklichen Highlights drauf. Abgesehen davon finden sich diverse alte Bekannte in meinen Top 20, mit Love Shop, Thayer Sarrano, Lana, Les Incendiaires und Etienne Daho sogar Künstlerinnen und Künstler, die mit allen ihrer letzten Scheiben bei mir in den Charts landeten.
Also, los geht's:
01. BABYMETAL – The Other One
Schon im letzten Jahr, als bekannt war, dass die japanische „Kawaii-Metal“-Band ein neues Album herausbringen würde, war es bei mir einer der heißesten Kandidaten für den Top-Spot in meinen Charts, da die vorab ausgekoppelten Singles alle sehr gut waren. Und glücklicherweise hielt das eigentliche Album dann auch, was es versprach – es ist ein sog. „Konzeptalbum“ und soll eine Seite von BM darstellen, die bisher weniger zum Tragen kam. Es ist definitiv ihr konsistentestes Werk, mit recht wenigen der für sie sonst so typischen wilden Stilwechsel, und einem deutlich erwachseneren Sound als man ihn bisher kannte. Ich hatte das Glück, die Band auf ihrer ausverkauften Europatour erleben zu dürfen (in Hamburg), und es war wirklich eine großartige, extrem kurzweilige Show.
Highlights: Mirror Mirror, Divine Attack, Monochrome, Metalizm, Maya, Metal Kingdom
02. Hitsujibungaku – 12 hugs (like butterflies)
Und gleich noch mal japanische Musik, und wieder ein Album, in das ich schon vorab hohe Erwartungen gesetzt hatte, die auch voll erfüllt wurden. Das Trio hatte ich ja auch schon im Blog ein paar Mal empfohlen – sie spielen Indierock mit Shoegazeelementen, manchmal mit verwaschenem Feedback, manchmal klar nach vorne weg, aber immer mit Blick auf die (oft melancholische) Melodie. Ihr neuestes Werk ist eine absolut runde Sache ohne Schwachpunkte.
Highlights: FOOL, More than words, Addiction
03. Love Shop – BLUES EUROPA
Die dänische Band hat sich in den letzten Jahren ja einen Stammplatz in meinen Top 10 gesichert – mit jedem neuen Album bin ich wieder sehr angetan von ihrem leicht waveigen, leicht nostalgischen und stets melancholischen Stil, der diesmal wieder eine Scheibe mit schönen Melodien und passender Atmosphäre bietet.
Highlights: Uden ceremoni, Tilbage Til Viborg, Vågner Op En Morgen Og Har Lyst Til At Gå
04. Atarashii Gakko! – 一時帰国 (Ichijikikoku) (Temporary return)
Zum ersten Mal dabei ist dieses japanische „Anti-Idol“-Quartett, die für mich zu den coolsten Gruppen überhaupt zählen (weltweit) und extrem energetisch und mit subversivem Humor und quirky Charme in ihrer Musik viele Stile bedienen. Auf diesem Mini-Album (7 Tracks) gibt es so einige klasse Experimente (u.a. Swing, Pop, AltRock, Rap). Man muss die vier allerdings am besten auch sehen, wie sie ihre Songs choreographisch präsentieren, da dies ihre eigentliche Stärke ist – sie sind eine „performance group“, keine normale Band.
Highlights: 青春を切り裂く波動, Otona Blue, Suki Lie
05. Blur – The Ballad Of Darren (Deluxe Ed.)
Alte Hasen sind hingegen die Briten von Blur – ich war zunächst von ihrem neuen Album nicht übermäßig angetan, weil mir zu viele ruhige Stücke drauf waren, aber als dann die Deluxe-Edition mit drei weiteren Hits rauskam (die aus mir unerfindlichen Gründen von der Standardausgabe gestrichen wurden), war ich doch wieder versöhnt und die Musik wuchs mir im Laufe des Jahres immer mehr ans Herz.
Highlights: The Narcissist, Goodbye Albert, Sticks and Stones
06. Thayer Sarrano – Ancient Future
Ebenfalls eine alte Bekannte ist die Sängerin aus Goergia, die auch mit diesem Album ihrem wunderbaren angedunkelten Folk-Stil treu bleibt, der mich immer etwas an Mazzy Star oder Lana Del Rey in ihrer Ultraviolence-Phase erinnert. Das neue Werk ist wieder einmal angenehm atmosphärisch und was für die berühmten langen Winterabende.
Highlights: Carried away, Both sides of the door
07. Lana Del Rey – Did you know there is a tunnel under Ocean Blvd
Die Zeit, in der Lana quasi ein Abo auf meine Nr. 1 hatte, ist (vorerst) vorbei. Ihr neues Werk ist seeeehr lang, um die 70 Minuten, und enthält dabei auch einige Tracks, auf die ich gerne verzichtet hätte. Insgesamt ist mir ihr Sound unter Jack Antonoffs Produktionsregie doch zu ruhig geworden, auch wenn Lana natürlich gesanglich hier wieder über alle Zweifel erhaben schön singt und es eine Handvoll soundmäßiger Überraschungen gibt. Aber sie sollte die Country-Einflüsse wieder zurückfahren, wenn man mich fragt.
Highlights: A&W, Candy necklace, Did you know....
08. Isolde Lasoen – Oh Dear
Diesmal habe ich sogar eine belgische Künstlerin in meinen Charts, was nicht so häufig passiert. Aber Isolde Lasoen verzauberte mich mit ihrem Sound, der sehr französisch daher kommt, aber manchmal auch etwas sonderbar und obskur, was ich ja gerne mag.
Highlights: Oh dear, Douce mélancholie
09. Etienne Daho – Tirer la nuit sur les étoiles
Etienne ist ja mein französischer Lieblingssänger, dessen Musik und samtene Stimme mich seit den späten 80ern begleiten. In den letzten Jahren ist er immer besser geworden imho und webt auch psychedelische Sounds in seine stets melodischen Lieder ein. Auf dem neuen Album gibt es wieder einige schöne Hits, u.a. auch ein Duett mit Vanessa Paradis (von der man, oder zumindest ich, lange nichts mehr gehört hat).
Highlights: Les petits criminels, Virus X, Tirer la nuit sur les étoiles
10. Les Incendiaires – In Abstracto
Und wieder ist es der kanadischen Band gelungen, mit ihrem aktuellen Album bei mir gut zu punkten. Ich mag ihren an die früheren Indochine erinnernden 80er Sound und den französischen Gesang einfach sehr gerne, auch wenn es klangmäßig keine wirklichen Überraschungen gibt.
Highlights: À l'angle du hasard, Ukiyo
11. TRÄNEN – Haare eines Hundes
Wo wir schon mal beim 80er Sound sind – dieses neue Duo lässt den NDW-Klang ordentlich wiederaufleben, in Kombination mit einer gewissen Rotzigkeit. Die Singles finde ich überwiegend toll, auf Albumlänge wird es dann aber irgendwann doch etwas arg vorhersagbar.
Highlights: Duell der Letzten, Mitten ins Gesicht
12. Depeche Mode – Memento Mori
Ja huch, wer hätte das gedacht, dass ich noch mal ein Depeche Mode-Album in meine Charts nehmen würde? Nachdem die letzten Veröffentlichungen der inzwischen zum Duo geschrumpften Band mich ratlos zurück ließen, haben sie nun eine Rolle rückwärts gemacht und lassen ihren alten Sound wieder aufleben.
Highlights: Ghosts again, My favourite stranger
13. Ayano Kaneko – タオルケットは穏やかな (Towelket ha odayakana / A towel blanket is peaceful)
Die japanische Sängerin ist meine Entdeckung des Jahres und auch die meistgehörte Künstlerin 2023. Ihre Musik zwischen Folk und psychedelischem Lofi-Rock (mit Elementen von Country und Chanson), gepaart mit ihrer ungewöhnlichen Stimme, erzeugt eine großartige Atmosphäre – auch wenn mir auf ihrem neuen Album zu viele ruhige Songs sind, die mich nicht ganz abholen. Dafür enthält es aber auch zwei meiner absoluten Top-Hits des Jahres.
Highlights: わたしたちへ, タオルケットは穏やかな
14. Emma Anderson – Pearlies
Ein weiteres überraschendes Comeback für mich ist das Debüt-Soloalbum der ehemaligen Lush-Sängerin. Nicht nur das Cover lässt an güldene 4AD-Zeiten denken – auch musikalisch gibt es Reminiszenzen an (natürlich) Lush, Broadcast und elektronischere Momente.
Highlights: Tonight is mine, I was miles away
15. Kinoco hotel – マリアンヌの教典 (Mariannu no kyōten / Marianne scripture)
Kinocohoteru (oder "Pilzhotel" auf Deutsch) gehört zu der handvoll japanischen Bands, die ich sogar schon etwas länger (seit 2020) kenne und die seit Anfang der 00er Jahre aktiv ist – das Quartett besticht seit jeher durch einen an die 60er erinnernden Kleidungs- und Musikstil und wandelt zwischen James Bond-Filmsound, Pop und Garagenrock. Auch ihr neues Album (Album Nr. 19 (!), wenn ich mich nicht verzählt habe) macht wieder Laune.
Highlights: キネマ・パラノイア, マリアンヌの教典
16. Pale Blue Eyes – This House
Pale Blue Eyes haben sich schnell einen Stammplatz in meinen Charts erobert – die britische Band bietet eine feine Mischung aus Indiepop, Motorikbeat und Shoegaze und geht nicht ohne Grund demnächst mit Slowdive auf Tour.
Highlights: Our History, Spaces
17. milkyway (みるきーうぇい) – ヒロインを倒す魔女になる (Hiroin o taosu majo ni naru / Become a witch to defeat the heroine)
Ursprünglich war milkyway vor einigen Jahren als Trio gestartet, doch mittlerweile ist nur noch die Sängerin/Gitarristin übrig, die die Band als Soloprojekt weiterführt. Mit ihrem teilweise überraschend schrammeligen, aber sehr melodischen Gitarren-Indierock (mit augenzwinkerndem Humor) hat sie mir dieses Jahr definitiv Spaß gemacht.
Highlights: ヒロインになりたかった, 汚れた手 (2023 Rerecording)
18. Moon In June – ロマンと水色の街 (Roman to mizuiro no machi / Romantic and light blue city)
Vielleicht ist es ironisch (und blasphemisch), dass ich das Debütalbum dieser japanischen Band, zu deren Vorbildern Slowdive gehören und die auch einen ebensolchen Song auf ihrer Scheibe bieten, vor dem "Original" platziere, aber tatsächlich bieten Moon in June für mich mehr Pep und Pop und haben mit dem flotten „Head for München“ auch einen meiner Jahreshits dabei.
Highlights: Head for München, Slowdive (Album Ver.)
19. Slowdive – Everything Is Alive
Ja, es ist immer schön, wenn Lieblingsbands neue Musik vorlegen, die unpeinlich cool ist. Auch Slowdive schaffen es, ihrem Stil gleichermaßen treu zu bleiben wie auch ihn etwas weniger verhallt zu machen. Dennoch konnte mich das Album, wie schon geschrieben, nicht restlos überzeugen und so wirkliche Euphorie kommt nicht auf.
Highlights: Kisses, alife
20. Zaho de Sagazan – Les symphonies des éclairs
Und noch mal französische Klänge zum Abschluss meiner Top 20. Von dieser Sängerin aus Frankreich hatte ich bis zu diesem Jahr noch nie etwas gehört, aber ihre ausgesprochen coole Stimme und ihre Verquickung von Elektronik mit chanson-artigen Liedern hat mir sehr gefallen, auch wenn nicht jeder Song bei mir einschlägt.
Highlights: Les garçons, Tristesse
Außerdem noch gut:
21. 美根 (Bi ne) – 焔心の砦 (Enshin no toride / Fortress of Fiery Heart)
22. LOW-RES – Därför
23. CHAMPS – Ride The Morning Glass
24. The Ballet – Daddy Issues
25. kinopo – Living Dead
26. ART SCHOOL – luminous
27. FRANKIIE – Between Dreams
28. Black Swan Lane – Dead Souls Collide
29. Der Herr Polaris – Ich hab’s manchmal ganz gerne zu gehen, ohne was zu sagen
30. Ski Holiday – Ski Holadiy
31. Black Honey – A Fistful of Peaches
32. kinoue64 – After School Art Club
33. ano – 猫猫吐吐 (Vomiting all over the house)
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