Der große Coast Is Clear-Jahresrückblick 2017 – Teil 2: Die Alben

Donnerstag, Dezember 28, 2017 Parklife 0 Kommentare


Kommen wir nun zum zweiten Teil meiner kleinen musikalischen Rückschau auf 2017 (» hier geht's zu Teil 1) – den für mich besten Alben des Jahres. Selten war ein Album so unangefochten auf Platz 1 wie diesmal – vermutlich habe ich Lanas „Lust for Life“ annähernd so oft gehört wie die restlichen Scheiben in meiner Top 10 zusammen genommen. Es gibt aber auch einige Überraschungen, allen voran Belgrad auf Platz 2, schließlich kommt es ja nicht so oft bei mir vor, dass eine deutschsprachige Band (neben Tocotronic) mein Wohlwollen findet.

Abgesehen davon war 2017 das Jahr der meist recht gelungenen und unpeinlichen Comebacks – wer hätte es noch vor einiger Zeit für möglich gehalten, dass es mal neue Veröffentlichungen von Slowdive, The Jesus & Mary Chain und Ride geben würde? Auch andere „alte Recken“ wie Blondie, Étienne Daho oder Morrissey (wobei er sich durch seine Aussagen so langsam ins Abseits manövriert) haben teilweise erfreulich gute Musik vorgelegt, die mich dafür entschädigte, dass Indochine – eine meiner Allzeit-Lieblingsbands – mit einem eher mäßig spannenden, sehr lang(atmig)en Album um die Ecke kamen, mit dem sie sogar knapp meine Top 50 verfehlt haben.

Genug der Vorrede, hier sind sie nun, meine favorisierten Alben 2017:



1. Lana Del Rey – Lust for Life

Als Ende 2016 bekannt wurde, dass es ein neues Lana-Album geben würde, war zu vermuten, dass dieses bei mir weit oben landet. Aber es ist schon fast etwas unheimlich, dass die Wahl-Kalifornierin es auch mit ihrem inzwischen 6. Longplayer schafft, ihr hohes Niveau scheinbar mühelos zu halten – und teilweise sogar noch einen drauf zu setzen, sowohl musikalisch wie auch stimmlich und textlich. Auf ihrem bislang längsten Werk (72 Minuten bei 16 Songs) – zum ersten Mal mit Gastauftritten, u.a. von A$AP Rocky und Stevie Nicks, und stilistisch so abwechslungsreich wie seit ihrem Debüt «Lizzy Grant aka...» nicht mehr – lässt Lana etwas mehr Licht in ihr Dunkel (bleibt aber meist schön melancholisch); etwas, das dem Gesamtwerk definitiv gut tut (auch wenn ich natürlich die düstere Lana bevorzuge). Wenn ich mal niedergeschlagen und missmutig bin – nachdem ich dieses Album gehört habe, fühle ich mich leicht und glücklich. Mehr kann man von Musik nicht erwarten. (» zu meiner ausführlichen Albumrezension)
Favoriten: «13 Beaches», «Cherry», «White Mustang», «Heroin», «Change», «God Bless America …», «Love»



2. Belgrad – Belgrad

Tja, wer hätte das gedacht, dass eine neue Band aus Deutschland es so weit nach oben bei mir schaffen würde? Die Bandmitglieder sind zwar schon seit längerem musikalisch aktiv, aber in dieser Konstellation zum ersten Mal. Das Album ist in zwei Hälfte geteilt – eine erste, sehr düstere, beklemmende, und eine zweite mit weniger bedrohlicher Grundstimmung. Die erste Hälfte ist eigentlich die, die ich lange Zeit am liebsten hörte, aber nach einer Weile habe ich auch die anderen Songs zu schätzen gelernt. Tolle Musik, irgendwo zwischen PostPunk, Hamburger Schule und Indiegitarren.
Favoriten: «Eisengesicht», «Fratze», «Fremde»



3. Moon Duo – Occult Architecture Vol. 1

Kaum eine Band war 2017 wohl so hyperaktiv wie das US-amerikanische Duo – zwei Alben und eine EP brachten sie in kurzer Abfolge heraus. Gleich das erste davon war ein Knaller und bereichert ihre traditionell psychedelisch-bratig-krautrockige Musik mit einigen sogar poppigen Melodien. Eine meiner meistgehörten Scheiben in diesem Jahr, und auch wenn Abwechslungsreichtum nicht zu den Stärken (und Absichten) des Moon Duos zählt, so wird es doch keine Minute langweilig. In der Monotonie liegt die Kraft!
Favoriten: «Creepin’», «Cross-town Fade»



 4. The Luxembourg Signal – Blue Field

Eigentlich sind die Bandmitglieder dieser „Supergroup“ (u.a. von Aberdeen und den Trembling Blue Stars) eher Experten aus der Kategorie Indie- und TweePop, doch auf ihrem zweiten Album zeigen sie eine fast schon düstere, Wave-artige Seite, die ihnen sehr gut zu Gesicht steht. 10 Songs, kein schlechter Track dabei, das verdient einen Platz in meinen Top 5.
Favoriten: «There's Nothing More Beautiful Than A Well-Made Machine», «Are you numb?», «Shipwreck»



5. Love Shop – Risiko

Endlich mal wieder eine dänische Band auf den vorderen Rängen in meiner Jahresbestenliste. Love Shop gibt es bereits seit den 90ern, aber erst jetzt laufen sie zu ganzer Stärke auf – «Risiko» ist ein Album mit wunderbaren Gitarrenpopstücken, die alle deutlich in Richtung Wave und 80er schielen, ohne aber wirklich als Retro-Musik gelten zu müssen. Dass alles in dänischer Sprache gesungen wird, macht es für deutsche Ohren sicherlich etwas gewöhnungsbedürftig, tut aber der Qualität der Songs natürlich keinen Abbruch.
Favoriten: «De Forelskedes Smag I Din Mund», «Verdensmestre», «Kom Aftenernes Vind»



6. Blondie – Pollinator

Das dürfte für mich die wohl größte Überraschung 2017 sein – a) ein neues Blondie-Album und b) das Album ist total gut! Blondie begleiten mich bereits seit meiner Kindheit, und ihr Output fand mal mehr, mal weniger meinen Gefallen. Das jetzige Album – darf man es als „Alterswerk“ bezeichnen? – ist Dank diverser Zusammenarbeiten, u.a. mit Johnny Marr, eine rundum unterhaltsame, flotte Scheibe geworden. Kein sonderlicher Tiefgang und es wird auch nichts neu erfunden, aber die Band hat hörbar ihren Spaß – und dieser Funke springt auch auf den Hörer über.
Favoriten: «My Monster», «Already Naked», «Fragments»



7. Cigarettes After Sex – Cigarettes After Sex

Schön. Das dürfte das erste sein, was einem zur Musik dieses aufstrebenden texanischen Quartetts in den Sinn kommt. Sanfte, melancholische DreamPop-Musik, mit der samtigen Stimme des Sängers Greg Gonzalez, die dahingleitet und einem den Abend versüßt oder auch die Zigarette danach ersetzt. So minimalistisch wie das Plattencover. Einziges Manko ihres Debütalbums: die Songs sind nahezu identisch aufgebaut, es gibt also kein Überraschungsmoment und keinen Spannungsbogen, so dass sich nach einer Weile doch so etwas wie Langeweile breit macht (aber Langeweile auf hohem Niveau, versteht sich :-).
Favoriten: «Apocalypse», «K»



8. Agent Blå – Agent Blå

Auch Schweden ist dieses Jahr mal wieder mit einem feinen Album vorne bei mir vertreten. Die Bandmitglieder sind noch superjung und spielen dementsprechend unbekümmert drauflos. Wave-haltiger Schrammelpop, der etwas an die Labelkollegen von Makthaverskan erinnert. Leider ist die Produktion der Musik extrem schwach, es klingt fast so, als hätte man alles mit einem Handy oder in der Garage aufgenommen, was mir den Spaß ein wenig eintrübt und eine noch bessere Platzierung verhindert.
Favoriten: «Rote Learning», «Frustrerad»



9. Manchester Orchestra – A Black Mile to the Surface

Deutlich düsterer und getragener, teils auch pathetischer und leidender geht es bei dieser amerikanischen Band zu. Ich kann dieses Album nicht immer hören, dazu ist es zu stimmungsbeeinflussend, aber wenn, dann sehr gerne. (Danke nochmals an Nicorola für das Aufmerksammachen auf diese Jungs.)
Favoriten: «The Alien», «The Mistake»



10. Slowdive – Slowdive

Kaum zu glauben, dass die britischen Godfathers of Shoegaze im Jahr 2017 plötzlich noch mal so richtig durchzustarten beginnen. Positive Rezensionen allenthalben, sogar im Shoegaze-Entwicklungsland Deutschland, ausverkaufte Konzerte, Top 20 in den UK-Charts – 30 Jahre nach Bandgründung erleben sie einen zweiten Frühling, was mich als ausgewiesenen Fan natürlich sehr freut. Das Comeback-Album ist eindeutig gelungen, landet aber dennoch „nur“ auf Platz 10, weil mir die waberigen Shoegazeelemente und vor allem die Dunkelheit früherer Werke hier persönlich etwas zu kurz kommen.
Favoriten: «No Longer Making Time», «Star Roving»



11. Anna Ternheim – All the Way to Rio

Und gleich das nächste gelungene schwedische Album – Anna Ternheim veröffentlicht ja bereits seit diversen Jahren ihre ruhige, melancholische Musik, zeigt auf ihrem aktuellen Werk eine größere stilistische Bandbreite als gewohnt und kommt damit ihrem Livesound näher.
Favoriten: «Keep me in the Dark», «Holding On»



12. No Middle Name – Fondness

Ich glaube, ich hatte Euch dieses Ein-Mann-Projekt aus den USA noch gar nicht im Blog vorgestellt – dafür aber jetzt kurz vor Jahresschluss endlich. Ein wirklich abwechslungsreiches Werk, das von Bedroompop, Shoegaze, Janglepop so einiges zu bieten hat. (Danke an without my echo für den Tipp, übrigens.)
» Bandcamp-Seite
Favoriten: «Fading Photo», «Fondness»



13. Widowspeak – Expect the Best

Der Mazzy Star-Gedächtnispreis geht 2017 eindeutig an diese US-amerikanische Band. :-) Auf ihrer aktuellen Scheibe treffen sie die wüstenartige Melancholie, die ich auch an MS so sehr schätze, wirklich gut.
Favoriten: «When I Tried», «Dog»



14. Étienne Daho – Blitz

Zu den größeren Überraschungen des Jahres zählte für mich auch das neue Werk des französischen Sängers mit der sanften Stimme. Denn diesmal frönt er überraschenderweise psychedelischen Klängen und wabernden Gitarren – etwas, das gut zu ihm passt.
Favoriten: «Les cordages de la nuit», «Les baisiers rouges»



15. Black Swan Lane – Under My Fallen Sky

Auch das neue Album dieser rund um Mitglieder der Chameleons und The Messengers enstandenen Band besticht wieder mit schönen Wave-Sounds und prima Melodien. Nichts bahnbrechend Neues, aber ich mag solche Gitarrenklänge einfach.
Favoriten: «Stop to Smile», «Trust»



16. Position Parallèle – En Garde à Vue

Apropos „nichts Neues“ und „ich mag solche Klänge einfach“ – das gilt auch für dieses französische Synthiepop-Projekt, das wie aus den 80ern in die Jetztzeit gebeamt klingt. Mag ich einfach. :-)
Favoriten: «Par la Fenêtre», «Mon Juge Allassin»



17. The Raveonettes – 2016 Atomized

Sicher kann man jetzt vortrefflich darüber streiten, ob diese Veröffentlichung als „richtiges Album“ zählt, denn es enthält die 12 Songs, die die Raveonettes bereits im Jahr 2016 jeden Monat rausgebracht haben. Egal, es ist jedenfalls eine kunterbunte Sammlung an Liedern aus verschiedensten Stilrichtungen, abwechslungsreich und mit einigen Perlen.
Favoriten: «This World Is Empty Without You», «Scout»



18. Daughter – Music From Before the Storm

Dieses Album hat die britische DreamPop-Band als Soundtrack zu einem Computerspiel geschrieben, aber man kann es auch ohne zu daddeln prima hören. Perfekte Herbst-/Wintermusik.
Favoriten: «A Hole in the Earth», «Burn It Down»



 19. The New Pornographers – Whiteout Conditions

Nach all den melancholischen Klängen wird es mal wieder Zeit für nach vorne gehenden Gitarrenpop, den die kanadische Band auf ihrem neuen Album zuhauf liefert. Macht Spaß!
Favoriten: «Whiteout Conditions», «Avalanche Alley»



20. Tusks – Dissolve

Den Abschluss meiner Top 20 bildet diese britische Sängerin, die auf ihrem Debütalbum stimmungsvolle und atmosphärische Musik bietet, die durchaus zu Daughter passen würde.
Favoriten: «Toronto», «Last»

Und hier noch die weiteren guten Alben des Jahres 2017:

21. The Clientele – Music for the Age of Miracles
22. Fishbach – A ta merci
23. Liam Gallagher – As you were
24. Mark Lanegan – Gargoyle
25. Binoculers – Sun Sounds
26. Charlotte Gainsbourg – Rest
27. The Jesus & Mary Chain – Damage and Joy
28. Piano Magic – Closure
29. Ride – Weather Diaries
30. FOTOS – Kids

3:36 Poppy – Poppy.Computer

31. Airiel – Molten Young Lovers
32. The National – Sleep Well Beast
33. Soon, She Said – The first Casualty of Love is Innocence
34. Diagrams – Dorothy
35. It’s For Us – Come With Me
36. Lola Marsh – Remember Roses
37. Leslie Clio – Purple
38. Robin Foster – Empyrean
39. Delay Trees – Let Go
40. Klimt 1918 – Sentimentale Jugend

41. Morrissey – Low in High-School
42. Louise Burns – Young Mopes
43. Destroyer – ken
44. The Horrors – V
45. Flunk – Chemistry and Math
46. Lorde – Melodrama
47. Fountaineer – Greater City, Greater Love
48. Makthaverskan – III
49. Noel Gallagher’s High Flying Birds – Who built the moon?
50. Hazel English – Just give in / Never going home


Und auch bei den Alben lohnt sich ein Blick über den Blog-Tellerrand, auf die Listen geschmackssicherer Blogger wie Don't be real, be postmodern, Lie in the Sound und Nicorola.

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